Vor knapp 50 Jahren veröffentlichte Reinhard Mey das Lied „Ich bin Klempner von Beruf“. Voller Wortwitz beschrieb er die Vorteile dieser Betätigung und ließ satirisch die Arbeitsweise und Kundenorientierung des Handwerkers erkennen. Die ersten Zeilen lauten: Ich bin Klempner von Beruf, ein dreifach Hoch dem der dies gold’ne Handwerk schuf. Denn auch in den größten Nöten gibt es immer was zu löten, immer wieder gibt es Pannen, an WCs und Badewannen, ich bin Klempner von Beruf.
Das Klempnerlied reflektiert eine Zeit, in der das Handwerk nicht nur den goldenen Boden hatte, sondern in der der jeweilige Meister seines Fachs seine unentbehrlichen Fähigkeiten zur Machtposition ausspielen konnte: Neulich hab‘ ich einen Boiler installiert, der hat gut und gern‘ zwei Tage funktioniert. Dann war er drei Tage alt und das heiße Wasser kalt, na da hab‘ ich gar nicht lange repariert, sondern sofort einen neuen installiert. Und da fragt mich doch der Kunde noch nachher, ob denn reparier’n nicht doch preiswerter wär‘? Da antwort‘ ich blitzeschnell: „Ihr uraltes Modell, stellt die Firma heut‘ schon gar nicht mehr her, und Ersatzteile gibt’s längst nicht mehr“.
Zwei Aspekte sind zu den siebziger Jahren zu ergänzen: 1) Es gab damals im Handwerkswesen noch reichlich Konkurrenz. Wer mit Klempnermeister Neumann nicht zufrieden war, konnte zur Klempnerei Krause wechseln. 2) Die Handwerksbetriebe konnten sich um mangelnden Nachwuchs sowie um Bewerbungen von Gesellen nicht beklagen.
Kürzlich ließ eine große Supermarktkette für eines ihrer Logistikzentren per Wurfsendung verkünden, dass dringend Kraftfahrer, Fachlageristen, Kaufleute für die Spedition und für das Büromanagement, Elektriker, Betriebstechniker und Kfz.-Mechatroniker gesucht werden. Auch Handwerksbetriebe, Dienstleister, der öffentliche Dienst, Pflegeberufe u. a. benötigen dringend personelle Verstärkung.
Es zeichnet sich in Deutschland eine Abwanderung von jungen Menschen in Studiengänge, in die IT-Branche, in Aushilfsarbeiten, ins Sozialsystem usw. ab. Innerhalb der Kernbereiche zum Funktionieren einer Gesellschaft will offensichtlich kaum noch jemand arbeiten. Appelle, inhaltsleere Erklärungen und wohlklingende politische Pakete, die geschnürt werden, bleiben weitgehend fruchtlos. Wird Deutschland zunehmend funktionsunfähig? Wenn das Abwasserrohr verstopft ist, braucht man eben Klempner. Und diese werden vergeblich gesucht, bald aber vermutlich mit dem Zusatz (m/w/d/l/s/b/t/i/q).
Thomas Willi Völzke