Die Kuh im Propeller 2.0

Der russische Satiriker Michail Soschtschenko schrieb vor einhundert Jahren die Kurzgeschichte „Die Kuh im Propeller“. In der DDR wurde diese Satire 1965 in deutscher Sprache von dem Schauspieler Manfred Krug eingelesen (abrufbar bei Youtube).

Zur Handlung: Der in einer Flugschule als Wächter arbeitende Grigori Kossonossow fährt zum Urlaub in sein Heimatdorf. Dort will er nebenbei den Bauern etwas von der Bedeutung der Fliegerei berichten und sie dazu bewegen, Geld für ein neues Flugzeug zu spenden. Der Vorsitzende des Dorfes ermuntert ihn mit den Worten: „Agitiert nur, agitiert nur! In der Versammlung erklärt Kossonossow, fachlich offenbar mit dem Thema überfordert, was derzeit im Flugwesen geschieht. Er berichtet von Flugunfällen und ergänzt das alles mit der scheinbar lustigen Anekdote, dass einmal eine Kuh in einen Propeller geriet und zerfetzt wurde: „Ritsch, ratsch, weg war sie!“ Auf entsetzte Fragen der Zuhörer, ob das auch mit Pferden passiert, antwortet der Redner voller Überzeugung: „Auch Pferde! Das kommt oft vor!“ Ein Dorfbewohner: „Was sie sich jetzt alles ausdenken. Pferde zu Tode quälen … Nun Väterchen – und das entwickelt sich jetzt, ja?“ Kossonossow ist inzwischen von sich so begeistert, dass er die Frage bejaht: „Eben, das sag‘ ich ja! Es entwickelt sich, Genossen Bauern! Und darum, meine ich, sammelt die ganze Bauernschaft etwas Geld.“ Die Bauern lächeln finster und gehen auseinander. Keiner gibt auch nur eine Münze für ein Flugzeug.

Zugegeben, die Fliegerei hat sich real weltweit entwickelt. Den militärischen Aspekt lassen wir hier außen vor. Kossonossow hatte trotz seiner intellektuell überschaubaren Erklärungen richtig gelegen.  

Irgendwie hat diese Geschichte nichts an Bedeutung verloren. Honorige Personen aus den Führungsetagen der Parteien bemühen sich, die Vorhaben ihrer jeweiligen Politik als Segnungen zu erklären. Es geht um Wärmepumpen, CO2-Steuer, Verhinderung von Insolvenzen, Windräder und flächendeckende Solaranlagen in unseren Landschaften, Diversität, Heizungsgesetz, Genderpolitik, Aktionspläne für alles Mögliche usw. Dabei verstricken sie sich in Formulierungen, die unfreiwillig komisch wirken. Sie wirken selbstbewusst und gleichzeitig unbeholfen, genau wie der Wächter von der Flugschule vor den Bauern. Wer ruft den Protagonisten unserer Zeit dabei bloß „Agitiert nur, agitiert nur!“ zu?

Wir als Steuerzahler haben es leider nicht so einfach wie die Dorfbewohner und können uns der Zahlung für das, was wir für uns als unwichtig einstufen, verweigern. Prämisse einer guten politischen Führung ist, dass die Menschen weitgehend in Ruhe gelassen werden und dass man ihnen ihr Geld lässt. Um bei der erwähnten Kurzgeschichte als Sinnbild zu bleiben: Es ist kein Zeichen des Fortschritts, wenn Kühe und Pferde in den Propeller geraten.

 Arvid Kappelt

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert