Erinnerung an eine Pressekonferenz mit Luciano Pavarotti
Am 26. Juni 2003 hatte Startenor Luciano Pavarotti seinen letzten Auftritt in der Deutschen Oper in Berlin. Er sang den Mario Cavaradossi in Puccinis Oper Tosca. Am Tag zuvor fand eine Pressekonferenz mit ihm statt, über die auch in Bild und Ton in der Berliner Abendschau berichtet wurde. Mr. Big P., wie Pavarotti auch genannt wurde, beantwortete gut gelaunt die üblichen Fragen. Dann wollte ein Reporter von ihm wissen, wie er denn die Opernsituation in Berlin bezüglich von gleich drei Opernhäusern einschätzen würde. Neben der Deutschen Oper gibt es in der Stadt bis heute die Staatsoper Unter den Linden sowie die Komische Oper. Hintergrund der Frage des Journalisten war die Finanzmisere Berlins, bezeichnet auch als Haushaltsnotlage. In dessen Folge gab es heftig geführte Diskussionen bezüglich der Existenz dieser drei Häuser sowie über Pläne, die Deutsche Oper und die Staatsoper miteinander zu fusionieren.
Pavarotti antworte erst einmal eher unverbindlich, dass es doch wunderbar sei, wenn in dieser Stadt drei Opernhäuser existierten. Dann folgte eine Sprechpause, in der sein Gesicht wie zu einer Maske erstarrte. Ich gewann den Eindruck, als spiele sich vor seinen inneren Augen für wenige Sekunden ein Film ab. Schließlich hatte er sich gefasst und sagte, dass mehrere Opernhäuser in einer Stadt viele Menschen glücklich machen können. Eine Oper sei doch die Botschaft des Friedens. Es werde weltweit so viel Geld für Waffen und Kriege ausgegeben, was für unendliches Leid sorge. Wenn das ganze Geld stattdessen in Kultur und damit auch in Opern fließen würde, könne sich jede Stadt mehrere solche Spielstätten leisten. Daher würde er das Geld den Opern geben.
Pavarotti, Jahrgang 1935, gestorben 2007, hatte als Kind den Krieg miterleben müssen. Neben seiner Karriere als Opern- und Konzertsänger engagierte er sich besonders für den Frieden. Das führte auch dazu, dass er zum UN-Botschafter des Friedens ernannt wurde. Die Einnahmen aus seinen Benefizkonzerten flossen unter anderem in den Aufbau von durch Kriegsfolgen betroffenen Gebieten.
Tosca gehört zu recht zu den bekanntesten Werken der Opernliteratur. Die Handlung spielt im Juni 1800 in Rom. Das Musikdrama von Liebe und Machtmissbrauch hat, so die immer wieder zu hörende Ansicht, nichts an Aktualität verloren. Der Maler Mario Cavaradossi hilft dem entflohenen politischen Gefangenen Cesare Angelotti beim Verstecken in der Kirche Sant‘ Andrea della Valle. Anschließend verschafft er ihm einen weiteren Unterschlupf. Roms Polizeichef Scarpia, dessen politische Ambitionen mit Brutalität und Rücksichtslosigkeit verknüpft sind, erkennt mit dem Betreten der Kirche auf der Suche nach Angelotti Cavaradossis Hilfe für den Geflohenen. Der Polizeichef lässt Cavaradossi verhaften und erpresst dessen Geliebte Floria Tosca, sich ihm hinzugeben, um den Maler scheinbar zu befreien. Dieser wird indessen gefoltert, damit er das Versteck von Angelotti preisgibt. Tosca ersticht schließlich Scarpia. Cavaradossi wird, da das Todesurteil bereits gefällt ist, hingerichtet. Sie stürzt sich, um nicht in die Hände der sie verfolgenden Schergen des Polizeichefs zu geraten, zum Schluss von der Engelsburg in den Tod.
Der Beifall für Pavarotti am 26. Juni 2003 hielt, so berichtete es der SPIEGEL, rund
30 Minuten an. Ich werde aber niemals die Worte und die Gesichtszüge des Startenors in der Pressekonferenz bei den Worten Kultur, Oper, Geld und Krieg vergessen. Es wurde so einprägsam wahr und tief bewegend von ihm geantwortet, dass der Irrsinn der immensen Geldausgaben für die Rüstung greifbar war. Pavarottis Lieder sind auf unendlich vielen Tonträgern immer noch abrufbar. Wir bräuchten aber dringend einen Weltstar mit seiner Herzensbildung, der die Dinge so einfach auf den Punkt bringt. Es scheint, dass Pavarottis Appell vor 20 Jahren in Deutschland keine Nachhaltigkeit erzeugt hat.
Thomas Willi Völzke